Hat der Fiskus in Zeiten wie diesen keine anderen Prioritäten, als international tätige Unternehmen mit komplizierten Meldeverpflichtungen auf Trab zu halten? Offenbar nicht, denn mit 1. Juli 2020 ist programmgemäß das EU-Meldepflichtgesetz in Kraft getreten. Es verlangt, grenzüberschreitende Steuergestaltungen offenzulegen. Denn die EU sieht sich durch viele kreative Modelle um Geld gebracht, das eigentlich in die Staatskassen fließen sollte ...
Steuerliche Kreativität ist ab sofort anzeigepflichtig
Das EU-Meldepflichtgesetz – kurz EU-MPfG – betrifft Intermediäre und „relevante Steuerpflichtige“. Sie müssen bestimmte Formen grenzüberschreitender Steuergestaltungen an den Fiskus melden. Meldepflichtig sind nicht nur aktuelle „Gestaltungen“, sondern auch seit 25. Juni 2018 umgesetzte Altfälle.
Was sind meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen?
Steuerliche Gestaltungen gelten dann als grenzüberschreitend, wenn
- sie entweder mehr als einen Mitgliedstaat oder mindestens einen Mitgliedstaat und mindestens ein Drittland betreffen
- und die beteiligten Personen in unterschiedlichen Hoheitsgebieten steuerlich ansässig bzw. geschäftstätig sind.
Meldepflicht besteht, wenn ein Steuermodell das Risiko birgt, dass
- Steuern vermieden,
- der internationale Informationsaustausch über Finanzkonten umgangen
- oder wirtschaftliche Eigentümer nicht identifiziert werden.
Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen „unbedingt“ und „bedingt“ meldepflichtigen Gestaltungen. Erstere sind stets meldepflichtig. Zweitere erfordern nur dann eine Meldung, wenn der Hauptvorteil („main benefit“) darin besteht, einen Steuervorteil zu erlangen.
Was ist unbedingt meldepflichtig?
In jedem Fall und ohne Erfüllung weiterer Voraussetzungen meldepflichtig sind etwa folgende grenzüberschreitende Modelle:
- Gestaltungen, die zu abzugsfähigen, grenzüberschreitenden Zahlungen an verbundene Unternehmen führen und bei denen der Empfänger dieser Zahlung steuerlich in gar keinem Hoheitsgebiet oder in einem nicht mit der EU kooperierenden Land ansässig ist (z. B. in Panama, Trinidad und Tobago oder auf den Seychellen)
- Gestaltungen, die dazu dienen, die Abschreibung eines Vermögenswertes in mehr als einem Hoheitsgebiet oder eine doppelte Nichtbesteuerung in verschiedenen Hoheitsgebieten herbeizuführen (etwa eine quellensteuerfreie Zinszahlung/steuerfreie Dividende)
- Gestaltungen, die den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten gefährden (z. B., indem ein Finanzkonto in die USA verlegt wird)
- Gestaltungen, die eine intransparente Kette rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer zeigen, weil Personen oder Konstrukte einbezogen sind, die keine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben
- bestimmte Verrechnungspreisgestaltungen
Was ist nur bedingt meldepflichtig?
Bestimmte Gestaltungen sind nur dann meldepflichtig, wenn ihr Hauptvorteil („main benefit“) in der Erlangung eines Steuervorteils besteht. Zeigt der „main benefit“-Test eine solche Absicht, dann besteht etwa in folgenden Fällen Meldepflicht:
- … wenn Vertraulichkeitsklauseln vereinbart werden, die verhindern sollen, dass die Finanzbehörden von der vorteilhaften Gestaltung erfahren
- … wenn bei den betreffenden Gestaltungen der Intermediär (s. u.) Anspruch auf eine Vergütung hat, die sich am erlangten Steuervorteil oder an dessen tatsächlichem Eintritt bemisst
- … bei standardisierten „Steuermodellen“, die ohne wesentliche Anpassung für mehrere Steuerpflichtige verfügbar sind
- … wenn verlustbringende Unternehmen mit dem Ziel erworben werden, deren Haupttätigkeit zu beenden und Verluste steuermindernd zu nutzen
- … wenn Einkünfte in Vermögen, Schenkungen oder andere niedriger besteuerte bzw. steuerbefreite Arten von Einkünften umgewandelt werden
- … wenn Gestaltungen zu grenzüberschreitenden, abzugsfähigen Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen führen und der Empfänger in einem Hoheitsgebiet ansässig ist, in dem (fast) gar keine Körperschaftsteuer eingehoben wird, die Zahlung im Empfängerstaat steuerlich nicht erfasst oder vollständig von der Steuer befreit ist
Wer muss melden?
Die Meldepflicht trifft grundsätzlich die sogenannten Intermediäre. Darunter versteht man jene Personen, die eine meldepflichtige Gestaltung konzipieren, vermarkten, organisieren, zur Umsetzung bereitstellen oder dieselbe verwalten. Es geht also vor allem um Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare, Bilanzbuchhalter sowie Finanz- und Vermögensberater oder Kreditinstitute. Sie gelten als „Hauptintermediäre“. Ebenfalls meldepflichtig sind „Hilfsintermediäre“ – Personen, die wissen oder wissen müssen, dass sie einen Hauptintermediär bei der meldepflichtigen Gestaltung unterstützt haben. Aber auch die „relevanten Steuerpflichtigen“ selbst sind zur Meldung verpflichtet. Das sind jene Personen,
- denen eine meldepflichtige Gestaltung
- bereitgestellt wird,
- die bereit sind, eine meldepflichtige Gestaltung umzusetzen, oder
- die bereits erste Schritte davon umgesetzt haben.
Ein Intermediär ist von seiner Meldepflicht befreit, wenn er in Österreich einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt und von dieser nicht entbunden ist. In einem solchen Fall muss der Intermediär allfällige andere Intermediäre sowie alle relevanten Steuerpflichtigen unverzüglich von seiner Befreiung informieren. Die Meldepflicht geht dann nämlich auf diese Personen über.
Wann ist zu melden?
Für Gestaltungen, deren erster Schritt ab 1. Juli 2020 umgesetzt wurde oder wird, gilt: Sie sind dem österreichischen Fiskus innerhalb von 30 Tagen zu melden. Das hat elektronisch via FinanzOnline zu geschehen. Für zwischen 25. Juni 2018 und 30. Juni 2020 umgesetzte Altfälle läuft die – verlängerte – Meldefrist am 31. Oktober 2020 ab. Eine Meldung muss detaillierte Angaben zu allen Beteiligten und Einzelheiten der Gestaltungsmerkmale enthalten.
Wen interessiert die Meldung?
Die einzelnen Meldetatbestände lesen sich wie eine Anleitung zur grenzüberschreitenden Steuervermeidung. Die Offenlegungspflicht zwingt kreative Unternehmen in Zukunft dazu, ihre internationalen Steuersparmodelle von Anfang an auf den Tisch zu legen. Die Finanzbehörden tauschen die Meldeinhalte länderübergreifend aus, schauen sich die „Gestaltung“ genau an und schließen bei Bedarf Steuerschlupflöcher. Das Gesetz soll also die Transparenz erheblich ausweiten und Steuervermeidung wie -hinterziehung unterbinden.
Was passiert bei Meldeverstößen?
Wer die Meldepflicht verletzt, handelt finanzordnungswidrig. Geschieht das vorsätzlich, drohen Strafen von bis zu EUR 50.000,–! Wollen Sie solches Übel vermeiden, sollten Sie potenziell meldepflichtige Sachverhalte identifizieren und allenfalls die Gründe für das Nichtbestehen einer Meldepflicht gut dokumentieren.