Sobald die vielfältigen Covid-Hilfsmaßnamen auslaufen, könnte es, so befürchten Experten, eine kräftige Pleitewelle geben. Wie viele Unternehmen dann tatsächlich in die Insolvenz schlittern, lässt sich derzeit aber nur schwer abschätzen. Der Gesetzgeber hat jedenfalls vorzubeugen versucht: Im Juli 2021 tritt eine Änderung des Insolvenzrechtes in Kraft.
Reformiertes Insolvenzrecht hilft beim wirtschaftlichen Überleben
Herzstück des neuen Insolvenzrechts ist die Restrukturierungsordnung. Sie soll strauchelnden Unternehmen ermöglichen, die wirtschaftliche Wende zu schaffen, noch ehe die Insolvenz eintritt. Dies geschieht über einen Restrukturierungsplan im Rahmen eines außerinsolvenzlichen Verfahrens. Betroffene behalten die Eigenverwaltung dabei grundsätzlich bei.
Die Voraussetzungen fürs neue Verfahren
Damit ein Schuldner dieses Restrukturierungsverfahren beanspruchen darf, muss seine Insolvenz wahrscheinlich sein. Das ist der Fall, wenn
- ohne eine Restrukturierung der Bestand des Unternehmens gefährdet wäre,
- Zahlungsunfähigkeit droht oder
- die Eigenmittelquote 8% unterschreitet und die (fiktive) Dauer der Schuldentilgung 15 Jahre übersteigen würde. Dann gilt die gesetzliche Vermutung eines „Reorganisationsbedarfs“.
Um das Restrukturierungsverfahren einzuleiten, braucht es einen Antrag des Schuldners. Gleichzeitig mit diesem Antrag hat er einen Restrukturierungsplan oder zumindest ein entsprechendes Konzept vorzulegen. Dieses Konzept muss Folgendes darlegen bzw. enthalten:
- beabsichtige Schritte zur Restrukturierung
- Vermögenswerte und Verbindlichkeiten
- Bewertung der Vermögenswerte
Zudem hat der Schuldner aufzuzeigen, dass er mit dem Restrukturierungsvorhaben den Bestand seines Unternehmens wirklich sichern kann. Die Schulden werden anschließend restrukturiert, sofern die Gläubiger – gerichtlich bestätigt – mehrheitlich dafür stimmen. Dazu ist eine Tagsatzung vorgesehen. Sie kann auch virtuell stattfinden.
Gläubigerklassen festlegen, 75% Zustimmung ausreichend
Der Schuldner hat – das ist jetzt neu – seine Gläubiger in Klassen einzuteilen. Ebenso neu ist eine geänderte Zustimmungsrate, damit der Restrukturierungsplan als angenommen gilt. Waren bislang 100% Zustimmung nötig, braucht es künftig eine Kopf- und Forderungsmehrheit von nur mehr 75% – pro Gläubigerklasse! Verweigern einzelne Gläubiger die Zustimmung, lässt sie sich auch durch eine gerichtliche Bestätigung ersetzen.
Während des Restrukturierungsverfahrens behält der Schuldner ganz (oder zumindest teilweise) die Eigenverwaltung über seine Firma. Damit sich der Restrukturierungsplan tatsächlich umsetzen lässt, kann der überschuldete Unternehmer beantragen, dass das Gericht eine Vollstreckungssperre anordnet. Zudem ruht für ihn die Pflicht, wegen seiner Überschuldung Insolvenz zu beantragen. Dadurch entfällt auch die Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung oder wegen eines Verstoßes gegen das Zahlungsverbot. Denn diese Haftung knüpft an die Insolvenzantragspflicht an.
Einfacher restrukturieren
Große praktische Bedeutung könnte zudem dem nun vorgesehenen vereinfachten Restrukturierungsverfahren zukommen. Ein solches ist allerdings nur möglich, wenn die Restrukturierung ausschließlich Finanzgläubiger betrifft. Dieser Gläubigerbegriff ist weit gefasst: Er schließt sämtliche Forderungen mit Finanzierungscharakter ein. Das können sein:
- Forderungen von Kredit- und Leasinginstituten oder aus Anleihen
- Darlehen von Privatpersonen
- Forderungen von Lieferanten mit untypisch langen Laufzeiten (mehr als 180 Tage), sofern sie eindeutig einen Finanzierungscharakter aufweisen
Was geschieht künftig, wenn in diesem Fall der außergerichtliche Abschluss einer Restrukturierungsvereinbarung scheitert, weil ein Gläubiger oder eine Minderheit an Gläubigern nicht zustimmt? Dann lässt sich die fehlende Zustimmung auch hier durch die Bestätigung des Gerichts ersetzen. Dafür hat aber wiederum eine Voraussetzung zuzutreffen: Zumindest 75% der Finanzgläubiger in der jeweiligen Gläubigerklasse müssen dem Restrukturierungsplan bereits zugestimmt haben. Das Gericht entscheidet anschließend über den Restrukturierungsplan, ohne ein Restrukturierungsverfahren einzuleiten.
Um die angesprochenen Restrukturierungsmaßnahmen zu erleichtern, hat der Gesetzgeber die Insolvenzordnung wie folgt abgeändert: Neue Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und sonstige Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung sind weitestgehend anfechtungsgeschützt, falls später ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Dazu ist ein Katalog von geschützten Transaktionen vorgesehen, denen der Anfechtungsschutz zukommt – vorausgesetzt, sie sind angemessen und fürs Aushandeln eines Restrukturierungsplans unmittelbar notwendig. Und sie dürfen erst nach Bewilligung der Vollstreckungssperre geleistet werden.
Schnellere Entschuldung für Private
Neu ist zudem, dass auch natürliche Personen sich rascher entschulden können. Das soll bereits nach drei Jahren möglich sein. Die Regelung gilt vorerst zeitlich befristet für die nächsten fünf Jahre. Dazu kommt neben dem derzeitigen fünfjährigen Abschöpfungsverfahren eine verkürzte dreijährige Variante (Tilgungsplan).
Wie die Umsetzung der geplanten Maßnahmen in der Praxis funktioniert, bleibt abzuwarten. Ein verhältnismäßig einfaches Restrukturierungsverfahren, das schon greift, ehe eine Insolvenz eintritt, ist aber auf jeden Fall zu begrüßen. Es wird die Unternehmen mit Sicherheit dabei unterstützen, die aktuellen Krisensituationen zu bewältigen.