Interview mit CONSULTATIO-Gründer Dr. Hannes Androsch – DAS LEBEN IST EINE HOCHSCHAUBAHN

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Kategorie: Einblick

Im Mai 2008 feierte Kanzleigründer Dr. Hannes Androsch seinen 70er, und er ortet sich im Interview mit der CONSULTATIO News „über der Baumgrenze“, womit er ein gelassenes „über den Dingen stehen“ meint. Dennoch ist er nach wie vor höchst umtriebig, wie seine Engagements bei der Staatsvertrag-Ausstellung 2005, in den Austrian Research Centers oder für die Montanuniversität Leoben zeigen. Die Fragen stellte CONSULTATIO-Partner Erich Wolf.

Hannes Androsch Consultatio

Ihre Biografie wird den Titel „HOCHSCHAUBAHN“ tragen. Braucht der Mensch Tiefen, um die Höhen genießen zu können?

Ob man Tiefen braucht, sei dahingestellt. Der Titel „Hochschaubahn“ meint zweierlei: Einerseits, dass man schon darübersteht, über der Baumgrenze ist und einen weiteren Horizont bekommen hat. Andererseits bedeutet er aber auch „Auf und Ab“. Und mit dem „Auf“ kommt der Mensch leichter zu Rande als mit dem „Ab“ – das Leben ist, wie es ist, und so muss man es schließlich auch annehmen.

Sie sind nicht nur Mitgesellschafter der CONSULTATIO. Sie lassen Ihre persönlichen steuerlichen Angelegenheiten und vieler Ihrer Unternehmen hier bearbeiten. Was erwarten Sie von Ihren Beratern?

Sie sollen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten das Beste für ihre Klienten tun – bei allem Verständnis für die fiskalischen Interessen des Staates. Ich beherrsche die Technik längst nicht mehr so gut wie meine Berater, aber immerhin so weit, um zu erkennen, ob ein Rat brauchbar ist. Denn die letzte Entscheidung und Verantwortung trägt der Unternehmer selbst. Die „Rechenhaftigkeit“ hat irgendwann ihr Ende, und dann ist die Bauchintelligenz entscheidend.

Was verbinden Sie mit den Anfängen der Kanzlei in der Gerasdorfer Straße in Floridsdorf? Welche Bedeutung hatte die CONSULTATIO für Ihre Karriere?

Ich komme aus der CONSULTATIO und bin hier noch von meinem Elternhaus her tief verwurzelt. Ich nehme gerne den sachkundigen Rat und die professionelle Unterstützung meiner Sozietäts-PartnerInnen in Anspruch. Wir sind schließlich eine Kanzlei mit nahezu 200 MitarbeiterInnen – davon ist die Hälfte in den Nachbarländern wie Ungarn, Slowakei, Slowenien und Tschechien tätig. Das ist eine bedeutende wirtschaftliche Aktivität. Erst kürzlich hörte ich aus dem Mund meines einstigen Stellvertreters in der CA und nunmehr eines wichtigen Industriekunden der CONSULTATIO, wie zufrieden dieser mit deren Leistungen ist. Das hat mich gefreut. Meine Eltern haben als „Zwei-Personen-Stück“ in der Gerasdorfer Straße begonnen, mittlerweile ist die Consultatio schon zweimal in immer größere Büros übersiedelt. Obwohl ich den Beruf selbst nur kurz aktiv ausübte, habe ich gelernt, dass das Rechnungswesen die Sprache der Wirtschaftswelt ist – „Accounting is the ‚Language of Business‘“. Das ist mir in meinen vielfältigen Tätigkeiten zu Gute gekommen.

Die CONSULTATIO ist im Mai in das neue Bürogebäude am Karl-Waldbrunner-Platz 1 übersiedelt. Dies ist ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte. Woran denken Sie, wenn Sie nun am Karl-Waldbrunner-Platz 1 stehen?

Erstens, an Karl Waldbrunner, der ein höchst verdienstvoller Politiker der Zweiten Republik und mir ein väterlicher Freund war. Zweitens, dass man im politischen Kampf gegen mich auch die CONSULTATIO zu vernichten versucht hat und mir die Berufsbefugnis nehmen wollte, was letztendlich aber gescheitert ist.

In den Siebzigern war die CONSULTATIO Spielball der Innenpolitik. Böse Gerüchte sagen, dass „Prinz Eugen“ (in dessen Palais befand sich der Sitz des Finanzministers) bei der Klienten-akquisition zumindest nicht hinderlich war?

So war es gerade nicht. Das ist schon dadurch belegt, dass ich – als erste Handlung, als ich Minister wurde – den Prüfungsauftrag der Postsparkasse zurücklegen und Aufträge aus dem Bundesbereich ausscheiden musste. Hätte es den behaupteten Zusammenhang während meiner Zeit als Finanzminister je gegeben, hätte die CONSULTATIO nach meinem Ausscheiden aus dem Amt wohl zusammenbrechen müssen. Genau das ist jedoch nicht eingetreten, daher ist im Rückschluss diese Behauptung schon deswegen als widerlegt anzusehen. Erfreuliche Tatsache ist aber die Kliententreue. Diese hängt mit den MitarbeiterInnen der CONSULTATIO und – als die Partnerrunde erweitert wurde – mit den MitgesellschafterInnen aufs Engste zusammen.

Ein beruflicher Rückblick: Was erfüllt Sie mit größtem Stolz?

Stolz ist vielleicht das falsche Wort. Es ist eine gewisse Zufriedenheit, dass mein Leben mit allen Höhen und Tiefen bislang eine aufregende und spannende Biografie war. Das Finanzministerium war für mich als jungen, ökonomisch denkenden und an Finanzwissenschaften interessierten politischen Menschen so, als ob ein junger Organist im Dom des Landes auf der wirtschaftlichen Orgel spielen darf. Zufriedenheit empfinde ich auch darüber, Freunde gewonnen und darüber hinaus für die Allgemeinheit den einen oder anderen nützlichen Beitrag geleistet zu haben. Ich hoffe, mit meinem Lebenswerk auch für meine Lieben eine gute Grundlage geschaffen zu haben, die ihnen hilft, aufs Pferd zu steigen. Durch das Leben reiten muss aber jeder selber.

Sie haben weltweit ausgezeichnete Wirtschaftskontakte, die Androsch Unternehmensgruppe agiert als „Global Player“. Mit welchen Eigenschaften punkten die Österreicher in der Welt, wo liegen ihre Schwächen?

Die Zweite Republik ist ohne Zweifel in vielerlei Hinsicht eine Erfolgsstory. Wir sind eines der reichsten Länder geworden und haben Jahrzehnte der Freiheit, des Friedens, der Sicherheit und steigenden Wohlstand erlebt. Günstige Umstände mögen da sehr geholfen haben, so etwa die Unterstützung durch den „Marshall-Plan“. Andererseits haben wir diese Umstände auch geschickt genützt, denn nur, wer die sich bietenden Chancen verwertet, gewinnt. In vielen Bereichen haben wir aber den „State of the Art“ noch nicht erreicht: in der Bildung, in der Forschung, bei den Universitäten oder – entgegen allen anders lautenden Behauptungen – im Klimaschutz. Wir sind überreguliert und überbürokratisiert, wir leben in einer Zeit des Aktionismus und der punktuellen, populistischen Demagogie. Wie schlecht das ankommt, beweist die zunehmende Zahl an Nichtwählern. Wir müssen unsere Schwächen ernsthaft bekämpfen, wenn wir auch im 21. Jahrhundert erfolgreich bleiben möchten.

Zur aktuellen steuerpolitischen Diskussion: Was sagen Sie zur Vermögenszuwachsbesteuerung bzw. zum Flat-Tax-Modell der Kammer der Wirtschaftstreuhänder?

Die Vermögenszuwachssteuer haben wir bereits unter einem anderen Namen, nämlich in Form der Spekulationssteuer bei Aktien oder Immobilien. Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Außerdem zerbricht man sich jetzt schon mehr den Kopf über die Frage der Ausnahmen. Ich kann diesen steuererfinderischen „Fieberschub“ daher nicht ganz nachvollziehen. Fiskalisch wird dabei nur ein Mäuschen geboren werden.
Die „Flat-Tax“ wiederum ist eine Kopfsteuer. Sie mag vom Prinzip her sehr einfach sein, berücksichtigt aber nicht die persönliche Leistungsfähigkeit. Daher brauchen wir eine progressive Einkommen- und Lohnsteuer, auch im gesellschaftspolitischen Sinne – wenngleich man nicht übertreiben darf. Die heutige Steuerprogression ist weit überzogen, wobei diese Entwicklung aus den letzten Jahren resultiert. Bei nicht einmal EUR 1.200,– Monatseinkommen setzt bereits der Einstiegssteuersatz von 38 % an. Bei EUR 5.000,– erreichen wir schon den Höchststeuersatz von 50 %. Das nenne ich eine Abstrafung durch die kalte Progression, welche durch die Inflation noch zusätzlich verschärft wird.

Ihr Zitat von der „Progressionskeule“ ist mittlerweile österreichweit bekannt. Wie kann man die Progression am besten abschwächen, um die Leistungsträger zu entlasten?

Indem wir den Einstiegssteuersatz radikal senken und gleichzeitig den Höchststeuersatz herabsetzen, damit die Kurve flacher wird. 2,5 Millionen Österreicher wären allerdings davon nicht betroffen, weil sie gar keine Steuern zahlen. Diese Bevölkerungsgruppe benötigt jedoch dringend direkte Unterstützung.

Sie sind in der Öffentlichkeit als erfolgreicher Unternehmer bekannt und geschätzt! Welche Schlüsselfaktoren machen eigentlich einen guten Unternehmer aus?

Er muss bereit sein, Risiko einzugehen – „no risk, no game“ oder „no risk, no fun“. Gleichzeitig gilt es, Grenzen zu ziehen, damit das Risiko nicht existenzgefährdend wird. Er muss kombinieren und motivieren können. Jack Welsh, ehemaliger Chef des Vorzeige-Konzerns General Electric, hat diese Fähigkeit einmal mit „to energize people“ umschrieben. Daneben braucht ein guter Unternehmer den Fern- und Überblick. Außerdem muss er soziale Verantwortung tragen und längerfristige Betrachtungen anstellen. Zu guter Letzt: Ohne „Fortune“ geht es auch nicht!

Sie wurden in einem Interview gefragt, was einen guten Politiker ausmacht? Was macht einen guten Steuerberater aus?

Er muss sich in die Rolle seines Klienten hineindenken. Und er muss nicht nur die Sachlage, sondern hat auch die persönlichen Umstände in Betracht zu ziehen. Es gilt, dem zu Beratenden zu helfen, die für sein Geschäft notwendigen Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, und zwar mit nachhaltiger Ausrichtung. Verantwortung für seine Entscheidung muss letztlich der Klient selbst tragen, ebenso auch das Risiko. Motivation ist hier sicher auch ein wichtiger Faktor.

Eine philosophische Theorie besagt: „Altruismus ist nur eine besondere Form des Egoismus“. Zuletzt waren Sie im Rahmen der Akademie der Wissenschaften massiv gemeinnützig tätig. Haben Sie das Gefühl, etwas zurückgeben zu müssen?

Ich halte es da ausnahmsweise mit einer guten angelsächsischen Tradition: Es ist erlaubt, erwünscht und anerkannt, wenn man wirtschaftlichen Erfolg hat – aber man muss auch etwas davon zurückgeben. Dale Carnegie, einer der reichsten Amerikaner des 19. Jahrhunderts, hat gesagt: „Wenn man reich stirbt, hat man etwas verabsäumt.“

Herr Dr. Androsch, danke für das Gespräch!


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