50 Jahre CONSULTATIO, 50 Jahre österreichische Wirtschaftsgeschichte: Hannes Androsch spannt im großen Jubiläumsinterview den Bogen von 1970 bis heute und nimmt wortgewaltig Stellung – zum wirtschaftlichen Wandel, zu den Umbrüchen in der Weltordnung, der aktuellen Krise, dem heimischen Steuersystem und zur Historie unseres Unternehmens.
Das große Jubiläumsinterview mit CONSULTATIO-Gründer Hannes Androsch
Emotionen spielen eine große Rolle im Leben des Menschen. Sie hatten dafür schon als Politiker ein ausgeprägtes Gespür. Welche Gefühle haben Sie, wenn Sie im Jubiläumsjahr in „Ihr“ CONSULTATIO-Haus kommen?
Zuallererst kommt die Erinnerung daran hoch, dass meine Eltern bereits Anfang der 1940-er Jahre eine Steuerberaterkanzlei gründeten. Ich war damals drei Jahre alt. Meine Mutter nahm mich schon in der Vorschulzeit gelegentlich zum Finanzamt mit. Ich habe das Steuerberaterwesen also geradezu mit der Muttermilch aufgesogen, dann selbst den Beruf des beeideten Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters ergriffen und eine eigene Kanzlei gegründet. Nach der Berufung in die Bundesregierung als Finanzminister habe ich 1970 die beiden Kanzleien, also den Witwenfortbetrieb – mein Vater war verstorben – und meine eigene Kanzlei, in der CONSULTATIO zusammengeführt. Sie ist eine starke Sozietät geworden und hat erfreulicherweise großen Erfolg. Das können wir heuer feiern.
1970 gab es in Österreich gerade erst ein Jahr Farbfernsehen, telefoniert wurde mit Wählscheiben-Apparaten, die EDV war in den Anfängen. Heute verfügt hier nahezu jedes Kind über ein Smartphone. Die Welt ist revolutionär durchdigitalisiert. Hat sich der junge Hannes Androsch im Jahr der Kanzleigründung solche Innovationen auch nur im Ansatz erträumt?
… weder erträumt noch vorausgesehen. Weil Sie das Festnetz erwähnen: 1970 gab es noch die Halb- und Vierteltelefone – zwei oder vier Haushalte teilten sich eine Leitung. Und viele hatten gar kein Telefon. Alleine die seit damals erfolgte Verdichtung der Kommunikation ist eine ungeheure Entwicklung. Deren Wirkmacht hat sich gerade in der Corona-Krise gezeigt: Ohne Smartphones, die heute nahezu sieben Millionen Österreicher besitzen, hätte sich die Bevölkerung in der Lock- und Shut-Down-Zeit niemals so intensiv austauschen können. Mit dem Festnetz des Jahres 1970, als der Großteil der Menschen nicht einmal ein Vierteltelefon besaß, wäre das keinesfalls möglich gewesen.
Jedenfalls haben wir längst das Industriezeitalter, das Zeitalter der rauchenden Schlote, verlassen. Wir sind in das Digitalzeitalter, das Zeitalter der rauchenden Köpfe, eingetreten. Wenn es aber um unsere Vorstellungswelt geht, sind wir in vielen Bereichen noch immer im Industriezeitalter verhaftet, und wir hinken in Europa bei der Digitalisierung hinterher – mit Österreich als Schlusslicht.
Was kennzeichnet für Sie die Zeit zwischen 1970 und 2020 wirtschaftlich am markantesten?
Im Guten die Digitalisierung. Und – damit verbunden – die Globalisierung und Vernetzung, die es auch wegen der nun ungleich stärkeren, weltweiten Mobilität gibt. Außerdem ist der Wohlstand beträchtlich gestiegen, obwohl die Weltbevölkerung massiv zugenommen hat. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in diesen 50 Jahren ist sicherlich eine Milliarde Menschen aus der Armut befreit worden.
Wir sind zum anderen aber auch an die Grenzen dessen gestoßen, was unser blauer Planet, den wir so verschwenderisch nutzen, verträgt. Das äußert sich im Klimawandel, in der Erderwärmung und in der Umweltverschmutzung. Und es manifestiert sich darin, dass die Ungleichheiten weltweit viel größer geworden sind – nicht zuletzt, weil sich die Finanzwirtschaft in weiten Bereichen verselbstständigt und von der Realwirtschaft entkoppelt hat. Die positive Entwicklung ist also von einigen negativen Erscheinungen begleitet. Hier bedarf es einer Korrektur – die Klimaerwärmung zu stoppen ist ein signifikantes Beispiel dafür.
Markant ist auch die zunehmende Lebensdauer. Mit jedem Jahr steigt, jedenfalls in unseren Breiten, die durchschnittliche Lebenserwartung der heute Neugeborenen um vier Monate. Infolgedessen und wegen des Rückgangs der Geburtenzahl altert die Gesellschaft. Dieses „Age Quake“, das Altersbeben, geht mit einem demografischen Schock einher, der eine Fülle an Konsequenzen hat. Wir haben darauf bislang nur eingeschränkt reagiert. Ein schlagendes Beispiel ist die Alterspflege.
Sie haben als Finanzminister und in Ihrer Frühzeit als Industriekapitän in einem Staat gewirkt, der noch stark sozialpartnerschaftlich geprägt war. Innenpolitische sowie internationale Entwicklungen haben dieses System deutlich in den Hintergrund gedrängt. Wie urteilen Sie darüber?
Die Sozialpartnerschaft war eine der Säulen der erfolgreichen Entwicklung, die die Zweite Republik im Vergleich zur Ersten Republik und zur Monarchie nehmen konnte. Die Sozialpartnerschaft war ein stabilisierender Faktor. Die Wirtschaftspolitik der 70er-Jahre mit ihrem Eckpfeiler, der sogenannten Hartwährungspolitik, wäre so nicht möglich gewesen, wenn sie die Sozialpartner – vor allem der ÖGB unter Präsident Anton Benya – nicht unterstützt hätten. Und ebendiese Politik hat insgesamt dazu beigetragen, dass die österreichische Wirtschaft einen großen Entwicklungssprung machen konnte. Dadurch waren wir in der Lage, 1995 der EU beizutreten und später an der Eurozone teilzunehmen. Das wiederum hat sich in der Finanzkrise 2007/08 als Segen erwiesen. Wären wir da alleine gewesen, wären wir niemals mit einem – vergleichsweise – so geringen Schaden aus dieser Krise hervorgegangen.
2020 hat uns durch die Corona-Pandemie Umbrüche beschert, wie wir sie in dieser drastischen Form seit Jahrzehnten nicht mehr kannten. Wie lange werden sich die Corona-Folgen auf das österreichische Budget auswirken?
Gravierende Veränderungen in der Weltwirtschaft hatten wir schon vor der Corona-Krise – zum Beispiel durch die „America First“-Politik, den „Brexit“ und die „Made in China 2025“-Strategie der Chinesen. Durch dieses isolationsorientierte, nationalistische Verhalten hat die Weltwirtschaft einen beträchtlichen Rückschlag erlitten. Schließlich war sie ja seit 1945 gerade durch die weltweite Arbeitsteilung und das Ausschöpfen der globalen Möglichkeiten enger zusammengewachsen. Die Corona-Krise hat diese Rückschritte nun noch massiv verstärkt. Wir müssen daher fürchten, dass die Weltwirtschaft in große Regionalwirtschaften zerfällt. Die regionale Verselbstständigung des Internets in verschiedenen großen Staaten ist ein Beispiel dafür – eine Balkanisierung. Das hat auch sein Pendant in den geopolitischen Verhältnissen. Hier verzeichnen wir ebenfalls ein Auseinanderfallen. In der Finanzkrise 2007/08 vollzogen die 20 wichtigsten Länder der Welt noch einen globalen Schulterschluss. Jetzt, in der Corona-Krise, gibt es einen solchen nicht. Vielmehr wurden die Corona-Verwerfungen sogar dazu benutzt, die feindliche Rivalität zwischen China und den USA auszutragen. Auch die Großmachtansprüche Russlands sind hier ins Spiel gekommen. Das schafft statt einer Weltordnung eine Weltunordnung. Es gab in der aktuellen Krise bislang keine globale Zusammenarbeit, sondern geradezu das Gegenteil. Und das, obwohl die Corona-Pandemie – wie jede Pandemie – ein globales Phänomen darstellt und dementsprechend auch eine globale Antwort erfordern würde.
Das österreichische Budget war seit 2000 – gleichgültig, ob bei sehr guter oder weniger guter Konjunktur – defizitär. Die Finanzschuld des Bundes ist seit 2000 unter neun Finanzministern von 121 Milliarden[AS1] [ATR2] Euro auf 224 Milliarden Euro gestiegen. Und das, obwohl sich die insgesamt sieben Finanzminister des zurückliegenden Jahrzehnts ganze 62 Milliarden Euro an Zinsausgaben erspart haben. Diese Summe entspricht einem vollen Durchschnittsbudget. Hätte es den „Windfall“-Profit an Zinsersparnis nicht gegeben, wäre die Staatsschuld noch um diese 62 Milliarden Euro höher. Dennoch hat man im vergangenen Jahrzehnt keinen Überschuss zustande gebracht, obwohl wir eine Höchststeuerbelastung mit extremer kalter Progression haben. Der Schweiz, Holland, Schweden oder Deutschland ist das sehr wohl gelungen. In Österreich hingegen hat man in den vergangenen 20, vor allem aber zehn Jahren die Budgetsituation nicht unter Kontrolle bekommen. Gleichzeitig wurden auch noch wichtige Zukunftsvorbereitungen und öffentliche Aufgaben – Bundesheer, Justiz, digitale Infrastruktur – vergessen oder vernachlässigt. Gleiches gilt für die Universitäten, die Fachhochschulen und für den gesamten Bildungsbereich.
Die Arbeitslosenrate ist infolge der Pandemie auf Rekordhöhe. Was ist jetzt zu tun?
Wir hatten im Vergleich zur Schweiz oder zu Deutschland schon vor der Corona-Krise einen größeren Sockel an Arbeitslosen, trotz guter Konjunktur. Gleichzeitig mangelt es aber auf allen Gebieten an Arbeitskräften, wie sich auch während dieser Krise gezeigt hat – seien es Erntehelfer, Pflegerinnen oder Informatiker. Zudem ist die Arbeitslosigkeit bei uns in der Krisenzeit stärker gestiegen als in den genannten Ländern. Das zeigt: Unsere Arbeitsmarktpolitik ist nicht optimal. Wir müssen Maßnahmen setzen, um den Menschen Einkommen zu sichern, damit die Nachfrage steigt. Dafür brauchen wir jetzt rasch ein Konjunkturprogramm über 15 Milliarden Euro und mittelfristig ein Zukunfts- und Modernisierungsprogramm mit 10 Milliarden Euro. Denn es gibt ohnehin großen Nachholbedarf. In Sachen Breitbandnetz etwa liegen wir in Europa auf dem letzten Platz – hinter Moldawien! Weltweit finden wir uns gerade auf Platz 55. Geht es um den Klimaschutz, ist Österreich nur die Nr. 36, Mexiko und China sind vor uns! Großen Rückstand haben wir zudem im Bildungswesen, in der Forschung und folglich in der Innovationsdynamik.
Im Zuge der Krisenbekämpfung ließen sich jetzt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wir könnten diesen großen Nachholbedarf angehen und gleichzeitig der Wirtschaft die dringend notwendigen Impulse geben. Dafür wird es allerdings auch die nötigen internationalen Gegebenheiten brauchen: offene Grenzen, freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie Reisefreiheit – also die Wiederbelebung des durch die nationalen Abschottungen beeinträchtigten Binnenmarktes.
Als ein Rezept gegen die hohe Arbeitslosenrate steht derzeit die Viertagewoche zur Diskussion. Wie stehen Sie dazu?
Das ist ein realitäts- und wirtschaftsfremder Vorschlag, der keine Rücksicht auf die Unterschiedlichkeiten der Unternehmen nimmt. Es gibt Berufe, in denen die Mitarbeiter freiwillig täglich viele Stunden arbeiten wollen, und das mehrere Tage hintereinander. Dafür bekommen sie dann eine entsprechende Auszeit und freie Tage. Das ist also individuell zu regeln, von Betrieb zu Betrieb, von Branche zu Branche, von Saison zu Saison. Man kann die Arbeitswelt nicht über einen Kamm scheren. Mit einem Pauschalvorschlag schießt man sich vielmehr ins Knie.
Also auch eine Absage an die Arbeitszeitverkürzung als solche?
Das hängt von den Umständen ab. Arbeitszeit ist kein Einheitsbrei, sondern eine vielfältige Erscheinung, die sich nicht über einen Leisten schlagen lässt. Die Alterung der Gesellschaft wird den Anteil der Erwerbstätigen zum Schrumpfen bringen. Im Lichte dessen würde eine generelle Arbeitszeitverkürzung wohlstandsgefährdend sein und die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates verunmöglichen.
Ein Steuersystem ist eine hochdynamische Angelegenheit. Es unterliegt einem ständigen Wandel. Sie haben als Finanzminister für bedeutende Innovationen gesorgt. Wenn Sie in die Glaskugel blicken: Was wird sich an unserem nationalen Besteuerungsmodell in den kommenden Jahren entscheidend ändern (müssen)?
Was die Steuerbelastung angeht, liegen wir im Spitzenfeld. Die Lohnnebenkosten sind auf Rekordhöhe. Das verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit. Das Steuerrecht kennt unzählige Ausnahmen; so enthält das Einkommensteuergesetz allein im §3 über 150 Ausnahmen, die belastungsverzerrend wirken. Dieses Gesetz wurde in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt alle 14 Tage geändert, in der Corona-Krise hat man das unerträgliche Herumpfuschen noch auf die Spitze getrieben. Wir brauchen daher ein Durchforsten des gesamten Steuerrechts. Die Steuerbelastung sollte dabei tendenziell sinken, die extreme kalte Progression endlich gebremst werden.
Wir sind mit unserem Steuersystem noch im Industriezeitalter verhaftet und nicht im Digitalzeitalter angekommen. Hier eine Lösung zu finden ist allerdings längst nur mehr multilateral-global möglich. Und das ist äußerst schwierig. Daher gibt es bislang weder die – seit 30 Jahren oftmals angepeilte – Finanztransaktionssteuer noch eine sinnvolle Digitalsteuer. Auch eine lenkungswirksame CO2-Steuer fehlt. Die von der EU-weit geplante Plastiksteuer will unsere Regierung aus dem Budget bezahlen, damit also ohne Lenkungswirkung. Deren Notwendigkeit hat man erkannt. Die politische Kraft, eine Lösung zu finden, ist aber nicht einmal in der EU gegeben. Das zeigt sich auch an den Widerständen gegen die nächste europäische Budgetphase.
Die Rolle der EU bei der Bewältigung der Corona-Pandemie wird höchst unterschiedlich bewertet. Wird uns die Union in den kommenden 50 Jahren erhalten bleiben? Wenn ja, welche Triebkraft kann den Zusammenhalt am besten bewahren?
Ich mache keine Voraussagen auf 50 Jahre. Dass wir die Union immer dringender brauchen, ist angesichts der auseinanderfallenden Welt- und Weltwirtschaftsordnung klar. Denn sonst sind wir als Einzelteile auf dem wogenden Ozean des Geschehens zwischen den Giganten verloren. Ich zitiere Benjamin Franklin: „We must all hang together, or … we shall all hang separately“. Entweder zusammenhalten oder einzeln aufgehängt werden.
Ist eine EU-einheitliche Fiskalpolitik realistisch? Wenn ja, wo liegen die Hürden?
Die Hürde ist das Klammern an den Nationalstaat, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so viel Schaden angerichtet hat. Staatlichkeit hat zwei wesentliche Säulen. Die eine ist, den Menschen Sicherheit zu geben. Dazu braucht es das Gewaltmonopol nach innen und nach außen, Polizei und Heer. Für diese Sicherheit braucht es aber wiederum Ressourcen. Das bedingt die zweite Säule, die Besteuerung. Daher ist Besteuern „Raub ohne Sünde“, wie es Thomas von Aquin bezeichnet hat. Es bedarf zudem einer gemeinsamen Währung, die wiederum ein Mindestmaß an gemeinsamen Finanzen, Besteuerung und Schuldenvergemeinschaftung voraussetzt. Als die USA gegründet wurden, konnte der erste amerikanische Finanzminister Alexander Hamilton erreichen, dass die 13 Gründungstaaten ihre Schulden gemeinsam tragen. Das war wesentlich für die Staatswerdung. Daher spricht man in diesem Zusammenhang vom „Hamiltonian Moment“. Der aktuelle Vorschlag von Emmanuel Macron und Angela Merkel geht in diese Richtung und ist ein erster Schritt zu einem europäischen „Hamiltonian Moment“.
Zurück zur CONSULTATIO. In den 1980ern gab es aus politischen und damit verknüpft rechtlichen Gründen eine schwierige Phase für die Kanzlei. Wie denken Sie heute an diese Zeit? Und würden Sie etwas anders machen, wenn Sie nochmals starten würden?
Um es mit einem Sprichwort zu sagen: Wenn man einen Hund schlagen will, dann findet man einen Stock. Wäre das eine nicht gewesen, wäre es etwas anderes geworden. Denn die CONSULTATIO war in mehrschichtige politische Machtkämpfe hineingezogen worden. In deren Zuge wurde die Finanz missbraucht, die Justiz war ein williger Gehilfe dabei und hat die Finanzverwaltung unter Druck gesetzt. Dass die CONSULTATIO diese Widrigkeiten so gut überstanden, wie sich ja zum 50. Jubiläum zeigt, ist das Verdienst der Sozietät und aller ihrer Mitarbeiter. Dafür danke ich!
Was waren aus Ihrer Sicht die wesentlichen Stationen der CONSULTATIO-Unternehmensgeschichte?
Wenn wir auf den Ursprung zurückgehen, waren es die Gründung einer Steuerberatungskanzlei durch meine Eltern 1941 sowie der Tod meines Vaters. Sie stellten die auslösenden Momente für mich dar, meine Berufsbefugnis vorzeitig zu erwerben. Und dann war es – als Folge meiner Berufung in die Regierung als Finanzminister – bereits die Gründung der CONSULTATIO, die sich dann so gut entwickelt hat. Dazu trug auch die Umstellung auf die Mehrwertsteuer 1973 wesentlich bei, denn sie brachte für den Berufsstand der Steuerberater einen wahren Schub. Eine weitere wichtige Station verkörperte die Überwindung der zuvor bereits erwähnten Schwierigkeiten in den 80er-Jahren. Ein wichtiger Faktor lag auch in der Entwicklung des Steuersystems insgesamt: Es ist äußerst kompliziert geworden und die Steuerbelastung ständig gewachsen. Diese Komplexität des Steuerrechtes – heute in einem globalen Kontext – erhöhte den Bedarf an guten Steuerberatern wesentlich. Das Chaos der Corona-Maßnahmen hat dies unglaublich verstärkt. Jeder Lohnverrechner kann davon ein Lied singen.
50 Jahre CONSULTATIO, 50 Jahre österreichische Wirtschaftsgeschichte: Woran denken Sie am liebsten zurück?
Dehnen wir das auf 75 Jahre aus. Diese 75 Jahre waren eine außergewöhnliche Zeit, mit zunehmend mehr Freiheit, Frieden, Sicherheit, steigendem Wohlstand und größerer Wohlfahrt. Insbesondere in den 1970er-Jahren konnte Österreich einen großen Sprung machen. Die Ostöffnung, der EU-Beitritt und die Osterweiterung haben das fortgesetzt. Welch glückliche Jahrzehnte erstmals meine und dann die beiden folgenden Generationen durchleben durften, macht der Vergleich mit den Ereignissen in den 75 Jahren vor 1945 deutliche: der Deutsch-Französische Krieg, die bedrückenden Verhältnisse in den Armenquartieren um 1900, der Erste Weltkrieg, die Zwischenkriegszeit mit Bürgerkriegen und Weltwirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg. Statt das Glück der vergangenen Jahrzehnte gebührend feiern zu können, sind wir jetzt plötzlich in einer der schlimmsten Krisen seit der Großen Depression der 1930er-Jahre. Wir müssen enorme Anstrengungen unternehmen, um nun wieder auf das Niveau von 2019 zu kommen und alle anderen Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu meistern.
Wenn heute jemand ein Unternehmen gründen will, das 50 Jahre erfolgreich überdauern soll, was raten Sie ihm?
Voraussicht, Umsicht und Mut. Wägen, aber auch wagen. Ohne Risiko geht es nicht, vom Unterlassen allein kann man die Zukunft nicht gewinnen. Und auch nicht, ohne zu gestalten. Verhindern ist keine Lösung. Es braucht Zuversicht, Mut, Hartnäckigkeit und Entschlossenheit. Das war immer schon so und wird auch immer so bleiben.