Aus- und Weiter­bildung künftig in der Arbeitszeit – und der Chef zahlt’s?

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Kategorie: Personalverrechnung, Steuerberatung

Im Frühjahr sind zahlreiche arbeits­gesetzliche Änderungen in Kraft getreten. Als Dienstgeber haben Sie deshalb einige Neuerungen zu ­beachten. So ist bei Dienstzetteln nun der Mindestinhalt erweitert. Und Mitarbeiter haben künftig das verbriefte Recht, mehrere Jobs parallel auszuüben. Zudem verpflichtet Sie eine neue Regel, Ihren Dienstnehmern bestimmte Aus- und Weiterbildungs­maßnahmen zu bezahlen. Diese letztgenannte Bestimmung sorgt für erhebliche Verunsicherung in der Wirtschaft.

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Mit der Novelle des Arbeitsvertragsrechts-­Anpassungsgesetzes (AVRAG) werden Vorgaben aus Brüssel im österreichischen Arbeitsrecht berücksichtigt. Sie stammen aus der EU-Richtlinie für transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen. ­CONSULTATIO News fasst drei ­wesentliche Änderungen zusammen:

Aus- und Weiterbildung

In welchen Fällen ist die Zeit für Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmern zwingend Arbeitszeit? Und wann hat der Arbeitgeber die Kosten dafür zu tragen? Rund um diese Fragen ist eine ­intensive Diskussion entbrannt, seit die AVRAG-Novelle in Kraft trat.

Die EU-Richtlinie verlangt: Arbeitnehmern ist eine Fortbildung kostenlos anzubieten und als Arbeitszeit anzurechnen – vorausgesetzt, Rechtsvorschriften oder Kollektiverträge verpflichten den Arbeitgeber dazu, Arbeitnehmern die Fortbildung im Hinblick auf ihren Job zu ermöglichen.

Die neue AVRAG-Bestimmung bezieht sich darüber hinaus auf Aus- oder Weiter­bildungen, „die auf Grund gesetzlicher Vorschriften, Verordnungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages“ erfolgen. Ist die Bildungs­maßnahme „Voraussetzung für die Ausübung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit“, so

  • ist es Arbeitszeit, wenn Mitarbeiter teilnehmen,
  • sind die Kosten vom Arbeitgeber zu übernehmen – es sei denn, sie werden von Dritten (z. B. AMS) getragen.

Bisher haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft vereinbart, dass zwar der Chef Ausbildungskosten übernimmt (so für Spezialschulungen), der Mitarbeiter aber in bestimmten Fällen einen Kostenersatz zu leisten hat. Die diesbezügliche Regelung im AVRAG ist unverändert geblieben. Dennoch sind viele Arbeitgeber nun verunsichert. Sie fragen sich, ob sich bei bestimmten – arbeitsvertraglich vereinbarten – Ausbildungen überhaupt noch ein Kostenersatz für die Ausbildung einheben lässt.

Unklar ist derzeit auch, wie es eine im Arbeitsvertrag enthaltene Verpflichtung des Dienstnehmers zur fachlichen Weiterbildung (außerhalb der Arbeitszeit) jetzt zu interpretieren gilt. Studiert ein Mitarbeiter nebenberuflich, sind der Zeitaufwand und die Kosten wohl grundsätzlich weiterhin dessen Privatsphäre zuzurechnen. In der Praxis übernehmen Arbeitgeber oft (frei­willig) die Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Arbeitnehmer. Steuerlich ist das meist eine Win-win-Situation für beide Seiten. Zukünftig ist in diesen Fällen zu klären, ob die Teilnahme des Mitarbeiters als Arbeitszeit zählt. Im Zweifel sollten Sie das auf jeden Fall vertraglich regeln.

Interessant ist in diesem Zusammen­hang das Ergebnis einer Anfrage der Wirtschaftskammer beim Arbeitsminister. Die Kämmerer bezogen sich auf eine Fortbildungsverpflichtung für Berufskraftfahrer, die das Güterbeförderungsgesetz festschreibt. Sie wollten vom Ministerium wissen: Haben die Arbeitnehmer diese Fortbildung – wie im Kollektivvertrag vorgesehen – weiterhin in der Freizeit zu besuchen? Die Antwort: Die Verpflichtung, den Fahrer­qualifizierungsnachweis zu erbringen, ist keine Weiterbildung im Sinne der neuen ­AVRAG-­Bestimmung!

Aktuell existiert jedenfalls weder Rechtsprechung noch hilfreiche Literatur zu diesen Fragen. Es bleibt also offen, wie Gerichte oder Verwaltungs(straf)behörden im Streitfall entscheiden werden.

Dienstzettel

Achtung: Für Dienstzettel bzw. Dienstverträge gelten nun erweiterte ­Mindestinhalte. Unter anderem neuerdings ausdrücklich ­anzuführen:

  • Hinweise auf das einzuhaltende ­Kündigungsverfahren
  • kurze Beschreibung der zu ­­­erbringenden ­Arbeitsleistung
  • Art der Auszahlung des Entgelts
  • Dauer und Bedingungen einer ­vereinbarten Probezeit
  • gegebenenfalls der Anspruch auf eine vom Arbeitgeber bereitgestellte ­Fortbildung

Vor dem 28. März 2024 abgeschlossene Dienstverträge können entweder noch ­unverändert bleiben oder auch freiwillig ­angepasst werden.

Neu geregelt hat der Gesetzgeber auch die Frist für die Ausstellung eines Änderungsdienstzettels (spätestens am Tag des Wirksamwerdens der Änderung), die Art der Übermittlung des Dienstzettels (auf Anforderung des Arbeitnehmers auch elektronisch) sowie die einschlägigen Strafbestimmungen.

Das Recht auf mehrere Jobs

Arbeitnehmer haben künftig einen gesetzlichen Anspruch darauf, mit mehreren Arbeitgebern Arbeits­verhältnisse einzugehen. Sie dürfen weder gekündigt noch benachteiligt werden, weil sie ihr „Recht auf Mehrfachbeschäftigung“ ausüben.

Als Dienstgeber können Sie im Einzelfall dennoch verlangen, dass Ihr Mitarbeiter keinen weiteren Job annimmt. Zulässig ist das aber nur, wenn die Arbeit im ­zusätzlichen Job

  • mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist (weil z. B. die Höchstarbeitszeitgrenzen ­überschritten wären) oder
  • für die Verwendung im bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich ist (etwa wegen Übermüdung, Ruf­schädigung oder der Verletzung von ­Geschäftsgeheimnissen).

Wollen Arbeitnehmer mehrere Jobs annehmen, müssen sie jedenfalls das Konkurrenzverbot nach dem Angestelltengesetz beachten. Ein Mitarbeiter darf ohne Bewilligung seines Firmenchefs kein selbstständiges kaufmännisches Unternehmen betreiben. Und Handels­geschäfte im Geschäftszweig des Dienstgebers sind weder auf eigene noch auf fremde ­Rechnung ­erlaubt!

Für weitere Informationen oder Fragen zu den aktuellen Änderungen stehen Ihnen Ihre CONSULTATIO-Fachleute gerne zur ­Verfügung.

Andrea Netek
Andrea Netek
Dipl. Personalverrechnerin und Bilanzbuchhalterin

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